Wenn jemand sagt, dass er etwas nicht glaubt, heißt das nicht, dass er etwas nicht glaubt.
Aber es gibt noch etwas Anderes, warum mich die kleine „Vergegnung“ – wie es Martin Buber nennen würde – im Foyer des Berliner Kinos beschäftigt. Auch Menschen, die mir nahestehen, erzählen mir oft Geschichten oder äußern Meinungen, die mich nicht überzeugen. Ich denke also genau wie im Fall dieser unbekannten Frau in dem Moment nicht, dass die Geschichte oder diese Auffassung so stimmt wie sie mir erzählt oder dargestellt wird, sondern: Da mag ja viel dran sein, aber ein anderer Beteiligter würde mir die Geschichte auf andere Weise erzählen, oder der Sachverhalt ist sicher komplexer. Ich finde das nicht schlimm, weil ich mich eher freue, wenn jemand eine Meinung hat und sie auch äußert.
Das Problem ist aber Folgendes: Wenn ich mich skeptisch zeige – und das kann man auf verschiedenste Weise – , denkt der Andere, ich halte das, was er äußert, für falsch. Wenn ich sagen würde: „Das glaube ich nicht“, könnte der Andere verstehen, dass ich das, was er sagt, nicht glaube im Sinne von: Ich glaube, dass es falsch ist. Aber wenn ich etwas nicht glaube, heißt das aber nicht, dass ich es für falsch halte, sondern dass ich mir nicht sicher bin, dass es stimmt. Es ist für viele Menschen schwer, zu akzeptieren, dass man nur Zweifel hat, dass man also etwas nicht glaubt, ohne zu denken, dass es falsch ist, weil man das eben auch nicht glaubt. Nun ist es weder nett noch hilfreich zu sagen: „Das glaube ich Dir nicht.“ Allerdings können auch Schweigen, Zuhören oder Nachfragen Skepsis ausdrücken. Daher sind solche Reaktionen oft unpassend und man wird eher intuitiv empathisch reagieren, trösten, Verständnis äußern usw. Aber wie es der Teufel will, der Satz hängt oft in der Luft, wenn man nicht ausdrücklich zustimmt (s. mein Blog: „Ich verstehe Dich“). Die Dame im Kinofoyer hat ihn nur ausgesprochen.
Das Mitschwingen dieses Satzes ist besonders schwierig, wenn es sich um persönliche Erlebnisse handelt. Hier denken viele Menschen, dass sie doch nur schildern, was geschehen ist. Natürlich tun sie das, aber was sie erleben ist gleichzeitig auch voller Interpretationen. Ohne diese Interpretationen wäre es gar kein Erlebnis, und insofern sind die Interpretationen unverzichtbar. Aber das ändert nichts daran, dass sie oft einseitig, unvollständig, ungerecht oder einfach spekulativ sind. Manches oder Vieles stimmt auch sicher, aber weniger als alles ist vielen Menschen nicht genug. Für mich ist es eine naheliegende Reaktion, zuzuhören, nachzufragen, mir eigene (Fehl-) Interpretationen zu leisten und sie mitzuteilen – in der Hoffnung, dass sie vielleicht etwas zu einer Verständigung beitragen. Ehrlicherweise aber auch, um mich nicht zu langweilen.
Manchmal scheint mir Skepsis auch eine angemessene Form von Zuwendung. Skepsis ist eine Akzeptanz der Schwierigkeiten, zu erkennen, was ist oder war. Gleichzeitig kann sie eine Form von Zuwendung und Optimismus sein, dann, wenn sie zeigt: Ich will mich mit Dir verständigen. Daran hat es mir in dem Filmfoyer sicher gefehlt. Aber wahr ist eben auch: Obwohl wir Vieles miteinander teilen – und das oft vergessen -, schwebt doch jeder in seiner eigenen Blase und möchte nicht, dass er dabei gestört wird. Auch und vielleicht auch gerade dann nicht, wenn er erlebt, dass der Nachbar ihn mit Mikrowellen attackiert. Immerhin ist das ein Erleben von Interesse und Beziehung und von der eigenen Bedeutung, ohne dass man sich wirklich begegnet. Ein besonderes Beispiel, aber auch nur eine besondere Variante normaler Kommunikation.
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