Metakommunikation

In der Folge der Sprachphilosophie Ludwig Wittgensteins und der Systemtheorie kamen interdisziplinär arbeitende Theoretiker in den 50er (Gregory Bateson u. a.) und 60er Jahren (Paul Watzlawick u. a.) zu elementaren Erkenntnissen über menschliche Kommunikation, die bis heute Bestand haben. Insbesondere das Buch „Menschliche Kommunikation“ von Paul Watzlawick, Janet Beavon und Don Jackson, 1967 in den USA und 1969 in Deutschland veröffentlicht, hatte in Deutschland einen sensationellen Erfolg. Ein zentraler Gedanke in diesem Buch ist, dass menschliche Kommunikation gleichzeitig aus einer Botschaft und einer Beziehungsgestaltung besteht. Die beiden Ebenen beeinflussen einander. Sie können übereinstimmen, sich aber auch widersprechen. Fasst man die Beziehungsebene als Kontext oder Kommentar zu der Mitteilung auf, macht es Sinn von „Metakommunikation“ im Sinne von Kommunikation über Kommunikation zu sprechen. Sie erfolgt häufig implizit durch Tonfall, Mimik oder andere paraverbale Botschaften, kann aber auch explizit erfolgen.

Ich werde im Folgenden einige Überlegungen zur expliziten Metakommunikation anstellen. Sie interessiert mich deshalb, weil die Entdeckung des Beziehungsaspektes jeder Kommunikation nicht nur eine hohe Evidenz hatte und hat, sondern auch die Aufmerksamkeit auf das lenkte, was uns wenig bewusst war und auch weniger leicht und präzise zu erfassen war. Die Entdeckung der Metakommunikation hat die Kommunikation selbst verändert, weil sie die Aufmerksamkeit verschoben hat.

Die Unterscheidung der beiden Beziehungsebenen war fraglos sehr produktiv. So konnte man verstehen, dass die Beziehungsebene auch dann aktiv ist, wenn man gar keinen semantischen Inhalt vermittelt („Man kann nicht nicht kommunizieren“). Widersprüche zwischen den beiden Ebenen galten als sehr verwirrend und wurden sogar für die Entstehung der Schizophrenie verantwortlich gemacht. Interkulturelle Unterschiede konnten besser verstanden werden und vieles andere. Auch in der persönlichen Kommunikation hat sich viel verändert. Die bewusste Berücksichtigung des Beziehungsaspekts kann helfen, Inhalte besser darauf abzustimmen, ob sie zu dem aktuellen Stand der Beziehung passen. Manche Mitteilungen kommen nur an, wenn die Beziehung „stimmt“. Das ist besonders wichtig, wenn es sich um belastende, konfrontierende oder kritische Bemerkungen handelt.

Ein Beispiel: Viele Menschen neigen dazu, in einem Beziehungsstreit immer neue Streitpunkte anzuhäufen. Das ist emotional verständlich. Gefühle leiten die Assoziationen und das Denken. Ist man erst einmal in einer aggressiven Grundstimmung, im Modus der Vorwürfe und des Recht-haben-Wollens, so fallen einem manche andere Dinge ein, die man immer schon mal sagen wollte und die die eigene Position untermauern. Klüger wäre es allerdings, erst einmal einen Punkt zu klären und dann wieder etwas für die Beziehung zu tun. Ist sie erneut stabilisiert, kann man mit den anderen kritischen Punkten kommen. Deeskalation statt Eskalation. Es ist natürlich erst recht ein wichtiger Teil der Kunst der Beratung und der Therapie, sich dieser Beziehungsebene bewusst zu sein und für das Timing und die Art und Weise von Deutungen und Kommentaren, ganz allgemein von problematischen Botschaften sensibel zu sein.

Es ist leicht zu sehen, dass interpersonelle Achtsamkeit hier hilfreich sein kann, weil sie das Bewusstsein auf die hintergründigen Aspekte vieler Prozesse, hier der Kommunikation erweitert, und weil sie es erleichtert zu spüren, was eine Botschaft in einem bestimmten Moment über den Sprechenden oder die Hörende und ihre beidseitige Beziehung aussagt oder aussagen könnte. Impulsivität wird gemindert und Sensibilität gesteigert, die Interaktion bekommt Spielraum und Zeit.

Das alles erfordert noch keine explizite Metakommunikation. Aber auch die explizite Metakommunikation hat ihren Sinn. Oft müssen Aussagen geklärt und in ein Beziehungsgeschehen eingeordnet, oft müssen sie korrigiert werden. Explizite Metakommunikation ist eine spezifische Form der Kommunikation, die der Beziehung ein neues Gewicht gibt und ihrerseits Beziehung gestaltet, weil sie selbst wieder eine metakommunikative Dimension hat. Sie schafft Intimität, ein „Wir“. Es lohnt sich, über uns zu reden. Du bist mir wichtig genug, um den Beziehungsaspekt anzusprechen. Die Befangenheit, die dadurch manchmal auftritt, zeigt, dass es um etwas geht, um mehr als nur um die Sache.

Theoretische Erkenntnisse erreichen von sich aus keine Popularität. Um den Weg von den Büchern in die Welt zu schaffen, brauchen sie Geburtshelfer in der Gesellschaft. Der Siegeszug der Aufmerksamkeit auf die implizite Metakommunikation und die Zunahme der expliziten Metakommunikation sind Teil der Entwicklung der psychologischen Bildung der Bevölkerung. Seit den 60er Jahren gibt es ein steigendes Interesse an Therapie und Beratung, an der entsprechenden Literatur und medialer Aufbereitung, an Selbsterfahrung und Selbstentwicklung, Reflexion und Diskussion über pädagogische Fragen, Partnerschaft, Sexualität, Genderrollen. Das Subjektive, das Private, das Gefühl, die zwischenmenschlichen Beziehungen bekommen mehr Aufmerksamkeit als früher. Soziologisch wurde diese Tendenz seit den 60er Jahren ausführlich untersucht, und sie wurde häufig kritisch gesehen, weil sie auf Kosten der Partizipation an öffentlichen Diskursen und Anliegen gehe.

Was mich hier interessiert, ist, dass damit auch das Interesse an der Metakommunikation gestiegen ist. Die Vorteile habe ich skizziert. Es kommt aber auch zu Übertreibungen wie eigentlich bei allen Errungenschaften. Die Aufmerksamkeit auf den Beziehungsaspekt kann die Aufmerksamkeit auf die Sache, um die es auch geht, abziehen. Zwei Beispiele:

Auf der Ebene der Vermittlung von Wissen kann es wichtiger werden, unterhaltsam zu sein, jemanden zu „catchen“, als zu überzeugen, wichtiger, etwas gut zu präsentieren (zu „performen“), als inhaltlich der Sache gerecht zu werden. Früher gab es akademische Lehrer, die vorne im Hörsaal auf und ab gingen und vor sich hin sprachen, ohne Kontakt mit dem Publikum aufzunehmen. Unverständlich zu bleiben hob durchaus das Ansehen. Heute erwartet man zurecht von jedem und jeder, der oder die einen Lehrberuf ergreift, auch schwierige Sachverhalte verständlich zu machen und mit den Student:innen oder Schüler:innen zu kommunizieren. Aber andererseits kann das auch bedeuten, dass bei solchen Veranstaltungen die Art der Vermittlung wichtiger wird als das, was vermittelt werden soll.

Die Verschiebung auf die Art und Weise der Kommunikation beinhaltet bisweilen auch die Erwartung, dass Sachverhalte gemeinsam geklärt und Probleme gelöst werden können, wenn sie denn nur richtig behandelt werden. Eva Illouz hat diese technische Einstellung kritisch dargestellt: „Vielleicht ist keine andere kulturelle Eigenschaft des Ethos der Kommunikation so frappierend, wie seine grundlegende moralische (oder soziologische) These, dass durch den Gebrauch adäquater Sprachmuster gleichzeitig den eigenen Interessen und denen der anderen gedient werden kann. Wenn es eine Botschaft gibt, die die therapeutische Weltanschauung unablässig vermittelt, dann ist es die, dass durch die Fähigkeit der Partner, ihre Bedürfnisse, Gefühle und Ziele zu verbalisieren und diese Bedürfnisse im Medium der Sprache auszuhandeln, jedwede Bindung eingegangen und aufrechterhalten werden kann. So impliziert auch die ständig wiederholte Mahnung, (…) dass Konflikte für die therapeutische Weltanschauung nicht durch den Bezug auf gemeinsame Normen oder gemeinsame Werte gelöst werden, sondern durch den Einsatz adäquater sprachlicher Techniken.“ (Eva Illouz, Die Errettung der modernen Seele: Therapien, Gefühle und die Kultur der Selbsthilfe, 2008).

Eine Folge dieser kommunikationstechnischen Erwartungen, die an den systemtheoretisch-kybernetischen Ursprung der Art von Kommunikationstheorie erinnern, mit der wir uns hier beschäftigen, ist, dass nicht nur Interessenskonflikte, sondern auch existenzielle Probleme und Probleme, die nur durch individuelles oder kollektives Engagement gelöst werden können, einer technisch-kommunikativen Lösung zugeführt werden sollen: Trauer, Verlust, Trennung, Krankheit, Persönlichkeitseigenschaften, Unwissen, Armut, Ungerechtigkeiten aller Art.

Das macht zum einen den Bedarf an Beratungen und Therapien zu einem Fass ohne Boden. Sie bietet eine scheinbare Kontrollierbarkeit, die dann entweder zur Enttäuschung oder zu fortgesetztem Beratungs- und Therapiebedarf führt, im Zweifelsfalle zu einer Surrogatbeziehung und einer Abhängigkeit von professionell kommunizierenden Menschen. Die Professionalisierung kann die Betroffenen entmächtigen.

Aber mindestens so problematisch erscheint mir eine andere, alltäglichere Situation: Metakommunikation kann dazu dienen, sachliche Auseinandersetzungen zu vermeiden und auf eine „höhere“ Ebene auszuweichen. Die Subjektivierung und die Beziehungsorientierung haben den Charme, dass sie den Schauplatz wechseln und einen überschaubareren wählen, überschaubar jedenfalls für den, der sich auf dem Gebiet der Metakommunikation kompetent und sicher fühlt. Dazu kommt das hohe Ansehen, dass metakommunikative Kompetenz heute in gebildeten Schichten, die in unserer Gesellschaft die Normen setzen, genießt. Man kann durch die Kritik an dem metakommunikativen Verhalten Auseinandersetzungen in der Sache nicht nur ermöglichen, sondern auch verhindern. Ich denke, letzteres geschieht oft – als Konfliktvermeidung oder einfach bei fehlender Kompetenz in der Sache. Metakommunikation kostet Energie und Aufmerksamkeit und zieht sie von der Offenheit und dem Engagement für die Sache ab. Sie bietet stattdessen die Vereinfachung und Orientierung, die im Bereich der „Intimität“ scheinbar leichter ist als im Umgang mit komplexen äußeren Problemlagen. Das mag nicht funktionieren, aber es scheint einen Versuch wert. Auf einer tieferen Ebene kann man es auch so formulieren: In der Metakommunikation werden die zwischenmenschlichen Beziehungen höher gewichtet als die Beziehung zu Sachverhalten, Prozessen, Fragen, Werten usw., d. h. zu nicht-menschlichen Objekten. Wohin führt das?

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